Was tun, wenn das Grundwasser schwindet?
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Der Sommer 2020 war der zweitheißeste seit Beginn der Messungen 1881 und gerade im Nordosten Deutschlands mit weniger als 500 Liter Jahresniederschlag pro Quadratmeter auch in Berlin viel zu trocken. Dies hat gravierende Folgen für das Grundwasserdargebot. Das KWB forscht an Lösungen, um mit den Klimawandelfolgen für das Grundwasser umzugehen.

Das Trinkwasser in Berlin stammt zu 100% aus den Grundwasservorräten des Stadtgebiets. Es bildet sich zu rund 60% aus Uferfiltrat, 10% gezielt angereichertem Grundwasser und zu etwa 30% aus natürlicher Grundwasserneubildung. Das bedeutet, dass über die Uferfiltration und die gezielte Grundwasseranreicherung die Trinkwasserversorgung indirekt zu einem großen Teil aus Oberflächenwasser gedeckt wird. Die gezielte Grundwasseranreicherung verfolgt dabei die Absicht, die Grundwasserverfügbarkeit zu stabilisieren, die Versorgungssicherheit bei Spitzenlast zu sichern, qualitativ einwandfreies Wasser bereitzustellen und grundwasserabhängige Ökosysteme zu schützen.

Die Trinkwasserversorgung Berlins ist damit, neben dem Grundwasserdargebot, auch von mengenmäßigen und qualitativen Änderungen der Oberflächengewässer Havel, Spree und Dahme betroffen. Klimawandel-Szenarien für die Region Berlin-Brandenburg stimmen darin überein, dass heißere, trockenere Sommer und Starkregenereignisse zunehmen werden und die Abflüsse in Spree und Havel zurückgehen. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf. Auch wenn die Grundwasserneubildung hauptsächlich in den Wintermonaten stattfindet, deuten die meisten Klimaprojektionen auf eine verringerte jährliche Grundwasserneubildung hin. Erschwerend für eine verlässliche Prognose der zukünftigen Grundwasserneubildung kommt hinzu, dass der Effekt von Starkregen auf das Grundwasser noch ungenügend verstanden ist.

Die klimatische Wasserbilanz Berlins ist bereits heute in Trockenjahren negativ. Dieser Trend wird sich laut aktuellen Projektionen zukünftig verstärken. Daher werden auch Nutzungskonkurrenzen um die Ressource Wasser zunehmen.

Ein schwindendes Grundwasserdargebot und sinkende Wasserstände in den Flüssen stellen darüber hinaus nicht nur Probleme für die mengenmäßige Versorgung mit Trinkwasser dar, sondern können auch die Wasserqualität beeinflussen. Entsprechende Veränderungen müssen frühestmöglich erkannt und betriebliche Steuermöglichkeiten untersucht werden, um die Trinkwasserversorgung der Metropolregion zu sichern. Am KWB werden dazu z.B. Methoden zur Risikoanalyse entwickelt oder Echtzeit-Monitoring-Systeme getestet.

Lieber im Winter anreichern

Im Projekt HYDRA (Hydraulik und Kolmationsverhalten in der künstlichen Grundwasseranreicherung Berlins unter sich ändernden klimatischen Randbedingungen, 2018-2020) wurden meteorologische, hydrogeologische und betriebliche Daten der Trinkwassergewinnung ausgewertet. Daraus folgten Szenarien mit zukünftig erwartbaren Spitzenlasten in der Trinkwasserförderung, einer verringerten Grundwasserneubildung und der gezielten Grundwasseranreicherung als betriebliche Maßnahme, die anschließend in numerischen Grundwassermodellen simuliert wurden. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch bei zu erwartenden Spitzenlasten der prognostizierte Rückgang der Grundwasserneubildung und ein leicht ansteigender Wasserbedarf theoretisch durch zusätzliche Grundwasseranreicherung ausgeglichen werden können. Um die Trinkwasserversorgung auch in den trockenen Sommermonaten mit geringen Wasserständen in den Flüssen zu gewährleisten, wurde vorgeschlagen, die Entnahmen für die kontrollierte Grundwasseranreicherung verstärkt in die Wintermonate zu verlegen. Dadurch soll die Speicherfunktion der Grundwasserleiter genutzt werden, um kurzzeitig auftretende niedrige Wasserstände in den Flüssen zu überbrücken.

KWB

Mikrobiologische Risikobewertung

Bei der kontrollierten Grundwasseranreicherung spielt die weitgehende Entfernung chemischer und biologischer Verunreinigungen während der unterirdischen Passage eine essentielle Rolle. Entfernungsprozesse sind oft zeitabhängig (z.B. biologischer Abbau, Inaktivierung) und das Verständnis der hydraulischen Verweilzeiten, vom Sickerbecken oder Fluss bis zum Punkt der Entnahme durch Brunnen, ist ein Schlüsselelement im Management der Grundwasseranreicherung.

Im internationalen Forschungsprojekt SMART-Control (Neue Verfahren zur Überwachung und Kontrolle von Prozessen bei MAR, 2019-2022) entwickeln Wissenschaftler*innen des KWB und anderer Forschungseinrichtungen web-basierte Monitoring- und Kontrollsysteme, um die hydraulische Verweilzeit in Echtzeit zu überwachen. Das neu installierte Überwachungssystem basiert auf kontinuierlich messenden Online-Sensoren und Auswertealgorithmen, die in einer web-basierten Plattform implementiert sind. Gemessen werden der Wasserstand und die Wassertemperatur in den Versickerungsbecken, ausgewählten Messstellen und Trinkwasserbrunnen. Insbesondere die Temperaturganglinien bieten eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, die Verweilzeit des Wassers zwischen den Anreicherungsbecken und den Brunnen zu quantifizieren.

Zusätzlich wird im Projekt eine mikrobiologische Risikobewertung in die web-basierte Umgebung implementiert. Mit diesem Tool können anhand der Entfernungsleistung von Mikroorganismen in Abhängigkeit der Verweilzeit die daraus resultierenden gesundheitlichen Belastungen einer Wassergewinnung quantifiziert werden. Dies ist die Grundlage für gezielte Änderungen im Betrieb der Anreicherungsbecken und Brunnen zur Sicherstellung einer ausreichend langen Verweilzeit des Wassers in der Untergrundpassage.

Ins Grundwasser eintauchen

Das Grundwasser als wesentlichen Teil des urbanen Wasserkreislaufs sichtbar zu machen, ist ein Ziel im EU-Horizon2020-Projekt digital-water.city (dwc, 2019-2022). Ein Teilprojekt wird in der Abteilung Grundwasser des KWB gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben und dem IT-Start-up Vragments entwickelt und bearbeitet: eine Augmented-Reality-App, um die Geologie und das Grundwasser zu visualisieren und die große Relevanz des „verborgenen Teils des Wasserkreislaufs“ hervorzuheben.

Die App-Nutzerinnen sollen virtuell ins Grundwasser eintauchen und dabei Geologie und Grundwasser kennenlernen können. Hier werden die verschiedenen geologischen Schichten dargestellt und ihre Funktion für den Trinkwasserversorgung erläutert. Die Wassergewinnung mittels Uferfiltration und gezielter Grundwasseranreicherung wird am Beispiel von zwei Berliner Wasserwerken gezeigt. Die App-Nutzerinnen erfahren, wie sich das Trinkwasser zusammensetzt, was ein Grundwasserleiter ist und wie der Wassertransport im Untergrund beeinflusst wird. Die Anwendung soll für verschiedene Kommunikationszwecke (Tourismus, Umweltbildung, Konfliktmanagement, Diskussion mit Umweltbehörden usw.) eingesetzt werden. Ein erster Prototyp wird derzeit getestet.

Mit diesen und weiteren Projekten und neuen Forschungsinitiativen leistet das KWB Beiträge, Wasserressourcen unter sich verschärfenden Rahmenbedingungen nachhaltig zu nutzen und eine drohende Wasserkrise zu abzuwenden.

 

Autor*innen: Hella Schwarzmüller, Bereichsleitung “Grundwasser” am Kompetenzzentrum Wasser Berlin und Christoph Sprenger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum Wasser Berlin

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